Impfen und Feliserin
Jeder Säugetierkörper hat eine körpereigene
Abwehr, die man Immunsystem nennt. Dieses System hat die Aufgabe,
eindringende Krankheitserreger (körperfremdes Eiweiß) und entartete
eigene Körperzellen unschädlich zu machen. Dazu stehen dem Immunsystem
verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Einige davon kennt man
sicherlich aus eigener Erfahrung, z.B. das Fieber gehört dazu, ebenso
wie Eiter, der ja z.T. aus "aufgefressenen" Fremdproteinen
besteht. Bis es zu diesen Ausformungen kommt, sind kompliziert abgestuft
ablaufende biologische und biochemische Prozesse notwendig, auf die wir
hier nicht eingehen wollenl. Bis ein Immunsystem richtig arbeiten kann,
vergeht eine gewisse Zeit nach der Geburt des Individuums, denn das
Immunsystem muss seine Schutzfunktion erst "lernen".
Wichtig für uns als Katzenzüchter sind
Grundkenntnisse zum Thema "Lernen" des Immunsystemes, denn sie
betreffen auch die IMPFUNGEN. Ein Kitten, Welpe, Fohlen, Mensch etc.
wird ohne funktionierendes Immunsystem geboren. Da es aber aus seiner
sterilen Aufbewahrung in der Fruchtblase in eine feindliche Welt voller
Keime hinausgeboren wird, würde es recht bald sterben. Um das zu
verhindern, hat die Natur die Kolostralmilch "erfunden". Im
Kolostrum der Mutter sind sowohl Antikörper, die eindringende Keime
selbst bekämpfen, als auch Substanzen, die das Immunsystem
"starten", ihm also beibringen, gegen bekannte Feinde
Abwehrstrategien zu entwickeln. Dieses Kolostrum ist aber nur 36 - 48
Stunden voll in der Lage, seine Aufgabe zu meistern. Danach stellt der
mütterliche Organismus die Produktion des Kolostrums ein und wechselt
zur normalen Milchproduktion. Auch diese Muttermilch enthält sogenannte
maternale Antikörper, die den Welpen oder das Kitten weiterhin etwas
beschützen. Setzt die Mutter dann ihre Kinder ab, so ist das eine
sensible Zeit für das Immunsystem. Es hat noch nicht ausreichend
gelernt, kann aber auch nicht mehr von der Mutter versorgt werden.
Welpen oder Kitten, die in einer besonders sauberen und besuchsarmen
umgrenzten Umgebung aufgewachsen sind, haben dann am meisten
Schwierigkeiten, sich mit neuen Keimen auseinanderzusetzten.
Ein Jungtier, das kein Kolostrum erhalten
hat, hat kaum eine Chance, die ersten Tage zu überleben. Der Mensch hat
daher Möglichkeiten ersonnen, einen Ersatz zu schaffen. Erste Wahl ist
immer, natürliches Kolostrum herbeizuschaffen. Pferdezüchter melken
ihre Zuchtstuten in den ersten Stunden nach dem Abfohlen mehrmals ab und
frieren diese sogenannte Biestmilch für Notfälle ein. Bei so kleinen
Tieren wie Katzen oder Hunden ist das natürlich fast unmöglich. Hier
stehen pharmazeutisch hergestellte Immunstimulantien zur Verfügung, die
unter die Haut des Neugeborenen gespritzt werden, z.B. Zylexis (früher
Baypamun) für Hunde und Katzen. Natürlich ist das kein vollständiger
Ersatz, aber immerhin eine Chance!
Die Antikörper im Kolostrum werden
passgenau auf die Keimumgebung des Muttertieres von ihr gebildet.
WICHTIG: Deshalb darf man niemals ein Tier, welches kurz vor der Geburt
steht, in eine andere Keimumgebung bringen - das Immunsystem des
Muttertieres hat nicht mehr genügend Zeit, Antikörper gegen die Keime
der neuen Umgebung zu bilden und über die Milch an ihre Kinder
weiterzugeben. Also niemals eine tragende Katze verkaufen, in Pension
geben, auf Reisen mitnehmen etc. Sie muß dort gebären, wo sie während
der Trächtigkeit auch gelebt hat.
In unserer durchgeimpften Umgebung lernt
das Immunsystem unserer Haustiere kaum mehr Viruserkrankungen kennen. Es
kann daher auch keine Antikörper aufbauen. Viele Infektionskrankheiten
führen ja auch meistens zum Tode, so dass es in den zivilisierten Ländern
des Westens Usus geworden ist, gegen eine Vielzahl von Krankheiten zu
impfen. Diese Impfungen simulieren dem Immunsystem das Eindringen von
ganz speziellen Feinden (Impfantigenen) und regen es an, Antikörper
dagegen zu bilden. Ist dieser Prozess einmal erfolgreich abgelaufen, so
"merkt" sich das Immunsystem diesen Feind und kann im
Ernstfall gezielt auf ihn reagieren. Das ist der Idealfall -
aber...............
Impfungen sind grundsätzlich nur unter
bestimmten Vorbedingungen wirksam. Erstens muß der Impfstoff eine genügend
hohe Anzahl von Impfantigenen enthalten, um das Immunsystem überhaupt
zu stimulieren. Zweitens muss der Impfling absolut gesund sei, d.h. sein
Immunsystem muss im Ruhezustand sein. Nur dann ist es in der Lage, sich
mit dem Impfstoff auseinanderzusetzen. Schon eine einfache Verwurmung
kurbelt das Immunsystem derartig an, dass es nicht nur Fremdproteine des
Wurmstoffwechsels vernichtet, sondern die Impfantige gleich mit und ein
wirksamer Impfschutz gar nicht aufgebaut werden kann. Der Tierbesitzer
aber wiegt sich in Sicherheit - meinem Tier kann nichts passieren, es
ist ja regelmässig geimpft. Eine tragische Fehleinschätzung! Ebenso
verhält es sich mit Allergikern z.B., die geimpft werden. Auch Zahnentzündungen,
Operationen, Wunden , Parasitenbefall etc. können den Impferfolg
zunichte machen. Tiere, die viel zu Ausstellungen reisen und dadurch
Stress haben, können auch manchmal keinen Impfschutz aufbauen. Drittens
muss die Impfung genau auf den Keim zugeschnitten sein. Viele Viren sind
verhältnismässig instabil und mutieren schnell. Dann impft man gegen
einen alten Stamm und wundert sich, dass die Krankheit, verursacht durch
einen neuen Stamm, trotzdem ausbricht. Grippeviren z.B. oder auch HIV,
sind derart instabil und rasch mutierend, dass ein wirksamer Impfstoff
kaum oder gar nicht entwickelt werden kann. Im Bereich der
Tierimpfstoffe bereitet z.Zt. Leptospirose ein solches Problem.
Aber auch hier kann man ein wenig
gegensteuern, wiederum mit Immunglobulinen oder Antikörpern auf anderen
Eiweisstämmen. Feliserin ist solch ein Fall. Die Antikörper werden in
Pferdeeiweiss gezüchtet und dem erkrankten Tier in hoher Zahl zugeführt.
Die Antikörper greifen das Virus direkt an, sind sie verbraucht, werden
sie nicht nachgebildet.
Laut Dissertation Die
feline Panleukopenie - Eine retrospektive Studie
von Karin Horlacher aus dem Jahr 2004, können Katzen nach
wiederholter Gabe von Feliserin mit allergischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock
reagieren.
Der Urheber dieses Artikels ist mir
bekannt, er möchte aber nicht genannt werden.
Gisela Germes-Goritzka |